Reverse-Charge-Verfahren und § 48b EStG – ein alter Hut?

Die vom Gesetzgeber vor Jahren umgesetzten Regelungen für die Umsatzbesteuerung von Bauleistungen sollten mittlerweile bei allen betroffenen Handwerksbetrieben umgesetzt werden.

Aber immer noch müssen wir in der Praxis feststellen, dass es Unsicherheiten bei der Anwendung gibt. Dies betrifft vor allem die Anwendung der einzelnen Steuerbescheinigungen.

Ziel der Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens (§ 13b UStG) war der Wunsch Steuerhinterziehungen vorzubeugen. Das Gesetz sollte sogenannte „Karussellgeschäfte“  verhindern.

Die Pflicht steuerpflichtige Umsätze dem Finanzamt zu deklarieren und zu versteuern trifft generell den leistenden Unternehmer. In bestimmten Fällen geht aber die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger über, so dass der Kunde die Umsatzsteuer abführen muss.

Aber, wie kann das in der Praxis aussehen?

Unternehmer, die nachhaltig Bauleistungen erbringen erhalten vom Finanzamt auf Antrag eine Bescheinigung (USt 1 TG - Nachweis zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen und/oder Gebäudereinigungsleistungen).

Diese Bescheinigung ist nicht mit der Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b EStG zu verwechseln. Diese Bescheinigung wirkt in die entgegengesetzte Richtung. Sie dient nicht als Nachweis für den Bauunternehmer, sondern als Nachweis für den Kunden.

Beispiel

Unternehmer B (selbst Bauunternehmer) beauftragt Bauunternehmer A mit dem Einbau einer Heizungsanlage in sein Bürogebäude. A erbringt Bauleistungen für den Bauunternehmer B.

A legt B eine Freistellungsbescheinigung (§ 48b EStG) für die Bauabzugssteuer vor. Die Freistellungsbescheinigung zeigt einfach ausgedrückt dem Auftraggeber B an, dass A seinen Steuerzahlungen ordnungsgemäß nachkommt.

B wiederrum legt A eine Bescheinigung USt 1 TG vor. Damit zeigt B dem Bauunternehmer A an, dass er selbst nachhaltig Bauleistungen erbringt, und das Finanzamt ihm das bescheinigt hat.

Lösung für Unternehmer A:

Da B ein Unternehmer ist, der ebenfalls Bauleistungen erbringt, greift hier bei der Umsatzsteuer der § 13b. B wird zum Steuerschuldner der Umsatzsteuer. A muss B eine Rechnung ohne Umsatzsteuer (Netto-Rechnung) ausstellen und auf die „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, hinweisen.

Lösung für Unternehmer B:

B wird Schuldner der Umsatzsteuer für die Leistung des A.

B zahlt A nur den Nettobetrag. Die Umsatzsteuer in Höhe von 19 % muss B selbst berechnen und in seiner Umsatzsteuererklärung anmelden und kann gleichzeitig den entsprechenden Vorsteuerabzug geltend machen.

Gleichzeitig unterliegt die Bauleistung des A grundsätzlich der Bauabzugssteuer i.S.d. § 48 EStG. Wegen der Vorlage der Freistellungsbescheinigung durch A muss Unternehmer B jedoch keine Bauabzugssteuer einbehalten.

Und dann gibt es noch folgende Stolperfalle bei der Anwendung des § 13b UStG:

Wenn B die Heizungsanlage für seinen Privatbereich in Auftrag gegeben hat, wird er ebenfalls zum Steuerschuldner. Das Reverche-Charge-Verfahren greift auch in den nichtunternehmerischen Bereich des Leistungsempfängers über.

B hat in diesen Fällen seine Unternehmereigenschaft ebenfalls mit der USt 1 TG Bescheinigung gegenüber dem Leistungserbringer A anzuzeigen.

B erhält auch hier eine Nettorechnung, und muss die Umsatzsteuer selbst berechnen, und in der Umsatzsteuererklärung anmelden.

ACHTUNG: Im Privatbereich entfällt der Vorsteuerabzug!

Vorsicht:

A legt B keine gültige Freistellungsbescheinigung für die Bauabzugssteuer vor.

Lösung:

Unternehmer B wird dennoch Schuldner der Umsatzsteuer für die Leistung des A (siehe Beispiel). Gleichzeitig muss der Unternehmer B für den Unternehmer A 15% Bauabzugssteuer nach § 48b EStG einbehalten und an das zuständige Finanzamt abführen.

Die Anwendung des § 13b UStG ist ebenfalls wie die Beachtung des § 48b EStG keine freiwillige Übung. Der Leistungsempfänger ist, wenn der § 13b UStG zur Anwendung kommt, zur Abgabe der Umsatzsteuer verpflichtet. Gleichzeitig darf in diesem Fall der leistende Unternehmer keine Umsatzsteuer in seiner Rechnung ausweisen.

Aber auch der verpflichtende Abzug der 15% Bauabzugssteuer führt bei nicht Beachtung zu steuerlichen Konsequenzen.

Die Praxis zeigt, dass in beiden Verfahren bei Betriebsprüfungen die Fälle durch das Finanzamt korrigiert werden und erhebliche Steuernachzahlungen zur Folge haben.

Aber - keine Regel ohne Ausnahmen:

Bei allen Bauleistungen kommt es nur dann zu einer Umkehrung der Umsatzsteuerpflicht, wenn das Nettoentgelt über 500 Euro beträgt (Bagatellgrenze).

Materiallieferungen, die nicht durch den Lieferanten eingebaut werden, sind nie als Bauleistung zu behandeln. Das gleiche gilt für die Arbeiten des Gerüstbauhandwerks.

Außerdem, sind Reparatur- und Wartungsleistungen nur dann als Bauleistung zu behandeln, wenn Teile verändert, bearbeitet oder ausgetauscht werden.

Das Reverce-Charge-Verfahren gilt auch nicht, wenn Sie als Unternehmer für einen Bauträger arbeiten.

Natürlich gibt es auch beim § 48b EStG eine Bagatellgrenze. Sie beträgt 5.000 Euro im laufenden Kalenderjahr für den leistenden Unternehmer. Für den Fall, dass keine gültige Freistellungsbescheinigung vorliegt, die gesamte Bezahlung jedoch die Grenze von 5.000 Euro nicht überschreitet, ist kein Steuerabzug vorzunehmen.

Bei Wohnungsvermietern die umsatzsteuerfrei vermieten, wird die Freigrenze von 5.000 Euro auf 15.000 Euro pro Jahr erhöht.