Unabgestimmte Fachkräfte-Initiative aus dem Branchenumfeld sorgt am Delegiertentag für Empörung

Am 25. Juni 2022 fand in den Räumen des Begeisterwerks der RT Holding GmbH in Gießen der Delegiertentag des Fachverbandes Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Hessen statt. Im Fokus der Mitgliederversammlung stand dabei ein Tagesordnungspunkt, der zwar auf der ursprünglichen Tagesordnung nicht zu finden war, aber dennoch das bestimmende Thema des Delegiertentages war.

Eigentlich sollte der Geschäftsführer der Landesenergieagentur Hessen (LEA), Dr. Karsten McGovern, unseren Delegierten über die aktuellen Maßnahmen der LEA zum Energiesparen und zur Energieeffizienz im Gebäudesektor berichten, allerdings musste der Agenturchef kurzfristig krankheitsbedingt absagen. Anstelle des Vortrags sorgte der Entwurf eines Arbeitspapiers mit dem Titel „Fachkräftebooster: 40.000 zusätzliche Fachkräfte für die Energiewende bis 2030“ bei den Delegierten für reichlich Zündstoff und erheblichen Redebedarf. Ein auf diesen Entwurf basierendes Schreiben wurde offenbar bereits Anfang April 2022 ohne jede Abstimmung mit der SHK-Handwerksorganisation und dem BDH durch Einzelprotagonisten aus dem Branchenumfeld an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) adressiert. Erst kürzlich wurde das Papier dem ZVSHK vertraulich zugespielt, der daraufhin alle seine Landesverbände informierte. Die Liste der Unterstützer ist prominent. Neben etablierten Herstellern, wie Bosch Thermotechnik und Viessmann, Großhändlern, wie Cordes & Gräfe, haben auch einige große Anbieter von Angebotsplattformen für PV, Stromspeicher und Heizungsanlagen das Schreiben unterzeichnet. Sie fordern von der Politik zur Deckung des Fachkräftebedarfs Teilqualifizierungen bzw. die disruptive Einrichtung eines neuen Ausbildungskonzepts neben dem SHK-Anlagenmechaniker. Die Brisanz des Papieres liegt nicht nur in der geforderten industriell skalierten Umsetzung eines neuen Ausbildungskonzeptes vorbei am dualen Ausbildungssystem, sondern vielmehr in der zum Teil diffamierenden Darstellung bestehender Handwerks- und Ausbildungsstrukturen. Diese werden in einem derart schlechten Licht beschrieben, dass man von einem Affront gegenüber dem gesamten Handwerk sprechen muss. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: „Das Image der Branche ist aus Auszubildenden-Sicht relativ schlecht: früh aufstehen, vom Meister herumkommandiert werden, das Autowaschen, verstopfte Toiletten reparieren, schlechte Bezahlung im Kleinbetrieb mit wenig Karrierepotential…“. Die Delegierten zeigten sich angesichts der gegenüber dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klima gemachten schriftlichen Ausführungen empört und entsetzt. Ein solche unabgestimmte Vorgehensweise durch Marktpartner sei mehr als besorgniserregend. Sie forderten eine konkrete Reaktion der gesamten Verbandsorganisation und die Weitergabe des Papiers an die Innungsmitglieder. Zwischenzeitlich wurden sowohl durch den ZVSHK als auch durch den Landesverband SHK Hessen die Initiatoren aus dem Hersteller- und Großhandelsbereich kontaktiert und auf die brüskierenden Darstellungen angesprochen. Teilweise sei, so die Rückmeldung der kontaktierten Marktpartner, mit Unwissenheit im Detail agiert worden. Zwar haben sich Bosch Thermotechnik, Cordes & Graefe und Viessmann inzwischen von dem Papier klar distanziert und betonen, in der Fachkräftethematik nur Initiativen zu unterstützen, hinter der auch unsere Verbandsorganisation steht, allerdings ist die grundsätzliche Botschaft des Papiers eindeutig: Man fordert von der Politik eine industriell skalierbare Projektabwicklung!

Das Thema Fachkräfte stand schließlich auch bei einem weiteren wichtigen Tagesordnungspunkt im Blickpunkt der Delegierten. Das Konzept des hessischen Kultusministeriums „Zukunftsfähige Berufsschule“ wurde intensiv diskutiert und eine durch den Fachverband SHK Hessen moderierte Abstimmung zwischen benachbarten Mitgliedsinnungen bei der Festlegung von zukünftigen Berufsschulstandorten vereinbart, die reserveweise bestimmt werden sollen, für den Fall, dass die bereits herabgesetzten Mindestklassengrößen zweimal hintereinander unterschritten werden.

Zum Abschluss des Delegiertentages hatten die Delegierten noch ausreichend Gelegenheit bei einem schmackhaften Barbecue-Buffet sich untereinander auszutauschen und die Gemüter bei einem kühlen Getränk wieder zu beruhigen.